Wenn Umweltschutz gegen Menschenrechte verstößt

del Aguila

Neues Mitglied
Einfache Konflikte
Wenn das Thema Umweltschutz angesprochen wird, ist es für mich in der Regel nicht schwer, eine klare Stellung zu beziehen. Ich sehe den Menschen als kleinen Teil eines komplexen Systems und halte es für überlebensnotwendig, dass er sich in diesem System nachhaltig verhält. Ich kann auch eine klare Haltung gegen großflächige Regenwaldrodung, Massentierhaltung und arktische Ölpipelines beziehen, weil der moralische Konflikt nicht sehr groß ist: auf der einen Seite steht der Naturschutz, auf der anderen das profitorientierte Denken einiger Individuen. Ich finde es emotional und rational sehr einfach, mich auf die Seite des Naturschutzes zu stellen.

Ähnlich ergeht es mir mit den Menschenrechten. Ich betrachte die Würde des Menschen als unantastbar und sehe in der Gleichberechtigung und dem Schutz von Minderheiten ein hohes Gut einer Gesellschaft. Auch dieser Standpunkt ist für mich moralisch einfach zu vertreten.

Aber was passiert, wenn zwei dieser Werte plötzlich miteinander in Konflikt stehen? Wenn eine Situation entsteht, in der Umweltschutz Menschenrechte verletzt, in der durch Darstellung und Gegendarstellung plötzlich alles nicht mehr so einfach in das eigene moralische Spektrum einzugliedern ist?

Beispiel eines nicht so einfachen Konflikts: der WWF und die Baka
Im Februar 2016 reichte die NGO Survival International eine formelle Beschwerde bei der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) gegen den WWF- ebenfalls eine NGO- ein. Im Januar 2017 kündigte Survival International schließlich an, dass der OECD eine Untersuchung gegen den WWF eingeleitet hat. Es ist das erste Mal, dass eine solche Untersuchung gegen eine gemeinnützige Organisation geführt wird. Der OECD ist ein Zusammenschluss zahlreicher Länder zur Förderung der freien Marktwirtschaft. Er hat Richtlinien für multinantionale Unternehmen entwickelt, die u.a. dafür sorgen sollen, dass in ihren Projekten Menschenrechte respektiert werden.

Konkret wirft Survival International dem WWF vor, Menschenrechtsverletzungen an den indigenen Baka in Kamerun finanziert zu haben. Der WWF unterstützt im Kongobecken mehrere Naturschutzprojekte, unter anderem eine Anti- Wilderei Einheit. Im Rahmen dieser Naturschutzprojekte sollen Baka aus ihrem Heimatgebiet vertrieben und von Anti- Wildereieinheiten regelmäßig misshandelt worden sein, unter anderem mit Todesfolgen.

Der WWF hat zu diesen Vorwürfen eine Stellungnahme veröffentlicht. Darin erklärt er, dass die Marginalisierung der Baka durchaus bekannt sei, dass der WWF sich jedoch „stets für die Rechte und die Anerkennung der indigenen Bevölkerung in Kamerun stark gemacht“ hat und für die Baka Sondernutzungszonen in den Naturschutzgebieten gelten. Außerdem würde der WWF Menschenrechtstrainings für die EcoGuards organisieren, unter diesen befinden sich auch einige Baka. Weiterhin wirft der WWF Survival International vor, nicht zu einem Dialog bereit gewesen zu sein, um den Hinweisen auf Menschenrechtsverletzungen gemeinsam nachzugehen.

Die Untersuchtung des OECD läuft derzeit, die Beschwerde von Survival International kann hier in voller Länge nachgelesen werden.

Woher kommt das Vertrauen?
Als ich das erste Mal von diesem Fall erfuhr bemerkte ich, dass ich keine automatische emotionale Reaktion empfand. Hätte ich von einem Bergbauunternehmen gelesen, dass Indigene aus ihrer Heimat vertreibt- emotional wäre der Fall für mich klar gewesen: eine profitgierige Institution, die Menschenrechte verletzt. Ich bezweifle stark, dass ich anschließend nach der Gegendarstellung besagten Bergbauunternehmens gesucht hätte. Selbst jetzt, nachdem ich Vorwurf und Gegendarstellung gelesen habe, kann ich nicht instinktiv sagen, welcher Seite ich eher vertrauen würde. Mein Bauchgefühl versagt, ich brauche Fakten und muss weiter nach diesen Suchen.

Wieso würde ich einer Institution instinktiv vertrauen, der anderen nicht? Ich bin noch auf der Suche nach der richtigen Frage zu dieser Situation. Viel mehr bin ich an euren Reaktionen auf diesen Konflikt interessiert. Geht es vielen ähnlich wie mir? Gibt es ganz andere Ansichten zu dem Thema? Ich würde mich freuen, von der Reaktion eures Bauchgefühls und weiteren Gedanken zu hören.


Mit freundlichen Grüßen
 

Bio_Logisch_oder_was

Sehr bekanntes Mitglied
Hi,

davon hab ich noch nichts gehört. Wie Dir fehlen auch mir hier Fakten und Hintergrundwissen, ohne die will ich mich da nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.

Misshandlung Eingeborener von den Anti-Wilderei-Einheiten ist wohl ein Thema, da müsste man untersuchen, ob sie sich angemessen verhalten haben oder aber ungerechtfertigte Gewalt angewendet haben - lässt sich mit Training sicherlich nur tw. lösen, es sind halt auch tiefverwurzelte Feindseligkeiten zwischen den afrikanischen Stämmen und Völkern im Spiel - und die menschliche Natur, die so was leider nie ganz ausschließen lässt.

Vertreibung irgendwelcher Gruppen aus ihren Heimatgebieten im Naturschutzgebiet kann sicher nicht Sinn der Sache sein, denn die haben da ja schon immer gelebt und werden den Teufel tun, ihre eigene Heimat zu zerstören - deren Anwesenheit ist mit dem Schutz dieser Gebiete durchaus vereinbar - so meine Laien-Meinung dazu. Auch das muss ja wohl von diesen Anti-Wilderei-Einheiten ausgegangen sein, da gilt im Grunde das gleiche, was ich oben schon gesagt habe. Aber auch dazu müsste man mehr Fakten und Hintergrundwissen haben, wer da was wann und warum getan hat und, wie so oft, auch wer wann von was wusste ...

Gruß,

Bio
 

jenieerre

Neues Mitglied
Klingt wirklich nach einem spannenden Thema.. Allerdings ist mir das auch völlig neu und ich habe nichts darüber gefunden. Kannst du das vielleicht irgendwie bestätigen (also mit Quellen)? Lg
 
G

Gast1793

Guest
Endlich! Endlich sagts mal jemand....
Denn genau das ist mein "Bauchgrummeln"!

Versteht mich nicht falsch: Umweltschutz ist extrem wichtig.
Doch wie durchsetzen, ohne dass MENSCHEN, die nun immer so gelebt haben, auf der Strecke bleiben???

Ich beginne mal sozusagen bei "Adam und Eva". Denn im Grunde ists ja meine Generation und nachfolgend, die das alles verursacht hat.

Ich bin nun fast 70 - und völlig anders aufgewachsen. Im Grunde SO, wie man es heute wieder möchte:
Wir haben die Milch noch in Kannen geholt, das Brot und die Brötchen lose beim Bäcker, das Fleisch im Papier beim Metzger usw.

Das Chaos begann mit den Supermärkten, die dann Ende der 60er aufkamen. Und damit auch so nach und nach der Plastikwahn. Doch beileibe nicht sofort.

Und nun ist mir der Faden gerissen, sry. Jedenfalls: Wir müssen krass umlernen und Anklagen helfen da wenig. Sondern detaillierte Aufklärung.
 
G

Gast1793

Guest
Ein anderer Gedanke, nachdem ich das Jenke-Experiment gesehen habe und nachfolgend Extra: Dort wurden dann Zahnbürsten aus Bambus eingesetzt. Und schon da dreht sich die Spirale!
Denn würden wir ALLE das so handhaben, entzögen wir den Pandas, die von Bambus leben, ihre letzte Lebensgrundlage.

Ich weiß echt nicht mehr, wo man wie in diesem Wirrwarr ansetzen soll, denn nimmt man ein Problem in Angriff, entsteht an anderer Stelle ein neues.
 

Jimmienn

Mitglied
Ich weiß echt nicht mehr, wo man wie in diesem Wirrwarr ansetzen soll, denn nimmt man ein Problem in Angriff, entsteht an anderer Stelle ein neues.

Mach dir keinen Kopf, das regelt sich.
Grund ist das bei zu höher Bevölkerung eine Selbstreinigung stattfindet, unterstützt von Mutter Natur die uns mit Ebola versorgt. Gestiegene Temperaturen lassen Tropenkrankheiten wieder auferstehen. Und so weiter. Die Regierung reagiert leise, Deiche werden schon erhöht von 6 auf 9 Meter. Was sagt uns das?
Was wollen Regierungen auf keinen Fall? Panik.
 
G

Gast1793

Guest
Das Prob: Es regelt sich eben NICHT (von selbst)! Aber ich fühle mich mit meinen fast 70 Jahren echt zunehmend nur überfordert - und weiß doch, dass grad meine Generation, ohne es damals gewusst zu haben, vorrangig Schuld an dieser Misere trägt....:(
 

quentin1

Neues Mitglied
Die Liste von Verbrechen, die angeblich zugunsten der Weltverbesserung begangen werden, ist leider sehr lang.
Ob man jetzt Kriege für den Frieden führt oder den Planeten zerstört um ihn angeblich zu retten. Die Leute sollten ganz genau schauen, wofür sie täglich mit ihrem Geldbeutel stimmen. Wenn wir uns zumindest bewusst am Wohlstand bereichern, kann man wenigstens nachhaltig und langsam die Welt verändern.
Ökotrend bei den Lebensmittelhändlern: Papier statt Plastik?
Wenn nur jedes Geschäft Plastikbeutel verbieten würde, könnte man zig Tonnen an Müll sparen. Und sowas darf dem Konsumenten auch nicht nur aufgedrängt werden, sondern muss klar kommuniziert werden. Es dürfen halt nicht nur kurzzeitige Trends sein, sondern Versuche einen umweltsschonenden Lebensstil zu entwickeln, der irgendwann hoffentlich selbstverständlich wird.
 
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